Dämmermarathon 9.5.2020

 
Abgesagt !
Dann lauf ich halt allein!
 
Ich bin am Sonntagmorgen  8.00 Uhr gestartet, ja ganz allein.
Am Schluss waren es dann 21 km in 2:23:00 Stunden.
Das war jetzt mein 2 Halbmarathon und mit 67 Jahren ist das an und für
sich kein leichtes, einfaches Unterfangen.
Und dann ich allein mit mir, dem Asphalt und der gähnende Leere einer wie
ausgestorbenen Stadt. Ein Geisterlauf.
 
Bei meinem 1. HM vor jetzt mehr als einem Jahr waren in Berlin 30.000 Läufer*innen und 100.000 Zuschauer. Grasser kann der Unterschied nicht sein.
Aber mal von vorne.
Mit dem Fuß durch meine Haustüre geht`s auch schon los. Keine Anspannung und  kein Adrenalinschub. Eigentlich wie immer, nur halt diesmal 21 km vor der Brust. Keine Atmosphäre,  kein Feeling heute etwas besonderes zu erleben.
Wetter und Temperatur sind gut, noch.
 
Ich muss erst aus Neckarau raus und durch die Friedrichstraßenunterführung, durchs Mallau-Industriegebiet, über den Rangierbahnhof Richtung Neuhermsheim.
Der erste Kilometer, auch heute,  ist immer mein Problem;  ich komme nicht in den Tritt. Als es dann an der SAP-Arena vorbeigeht, der Maimarkt passiert ist, habe ich meinen Rythmus gefunden und zum ersten Mal an Berlin und die tolle Atmosphäre dort gedacht.
So bei km 5 begegnet mir ein Hundehalter beim Gassigehen – der erste Mensch.
Aber er freut sich nicht, winkt nicht, von Jubeln keine Spur, nicht mal einen Gruß.
 
Jetzt bin ich auf der Originalstrecke des Dämmermarathons, eine lange lange Gerade, vorbei an Discountern, Möbelhaus und Gartencenter immer die Autobahnbrücke unter der ich durch muss im Visier. Ich wünsche mir
ich könnte mich jetzt an einen Läufer*innen dranhängen und mich ein bißchen ziehen lassen. Mal im Ernst: dieser Abschnitt des Dämmermarathons ist nicht prickelnd,  stehen da überhaupt Leute?
 
Ich biege jetzt auf die Umgehung Seckenheim ein, Km 6. Bis zum Wasserturm,  links die Straße, rechts die Felder, in der Ferne am Horizont sehe ich die Pferderennbahn, ganz soweit muss ich nicht.
Mich bekleidet eine Krähe ein Stück meines Weges.
Krähe kein gutes Zeichen.
 
Beim Blumenselbstpflückerfeld kommt mir endlich mal ein Jogger entgegen, ungegrüsst passiert er mich.
Am Wasserturm biege ich rechts ab Richtung Hochstätt. An der Kreuzung steht ein Spargelverkaufsstand. Ich winke der verlassenen, auf Kundschaft wartenden  Verkäuferin zu.
Sie sieht mich verwirrt an, und jetzt finde ich es echt schade dass der Dämmermarathon ausgefallen ist, denn jetzt wäre es bald rein nach Seckenheim gegangen, zum Zuschauer Hotspot!
Stattdessen Autobahnbrücken – einmal darüber, einmal darunter und
dann gleich wieder zur Brücke über den Güterbahnhof.
 
Bei 10 km bin ich noch gut in der Zeit ; und genau wenn die 2. Streckenhälfte beginnt komme ich am Rheinauer Kreuzweg vorbei. KALVARIENBERG steht da groß.
Erst die Krähe jetzt der Kreuzweg, der ja bekanntermaßen ein Leidensweg ist.
Kein gutes Omen, zumal schon jetzt die Sonne herunterbrennt und ich ordentlich ins Schwitzen gekommen bin.
Trinken nicht vergessen!
 
Die Strecke führt mich durch den Rheinauer Wald und ich freue mich
als mich mal ein Mountenbiker passiert, aber wie alle an diesem Morgen,  meinen Gruß nicht erwidert.  
An der Feuerwache Rheinau-Süd stoße ich wieder auf die “Zivilisation”, aber die ist heute am Muttertag wohl anderweitig beschäftigt.
Wieder kommt mir Berlin in den Sinn. Wie war dass doch dort so Abwechslungsreich – mal ein paar Minuten mit finnischen Schülern, dann eine Gruppe bärtiger Dänen oder die zierlichen Brasilianerinnen in ihren Nationaltrikots. Mitschwimmen in einem Meer von Farben und Nationen.
Entlang des Edinger Riedweges beginnt nun mein Leidensweg durch das Rheinauer Industriegebiet am GKM vorbei zurück nach Neckarau.
Bei km 15 kann ich noch an meinen Zeitplan glauben – alle 3 Kilometer in 20 Minuten, also bei km 15  sinds dann 100 Minuten.
Nun ist der Rheinauer Hafen kein Wohlfühlort und zwischenzeitlich steigt vom Asphalt die Wärme auf. Ab km 16 brennen meine Waden.
Eine nicht endend wollende Gerade und die einzige Abwechslung zwei LKW-Fahrer vor ihren Truckern die mich mitleidig anschauen als ich vorbeikomme. Also Männer ich hab auch Mitleid mit euch , die ihr hier am Wochenende in dieser trostlosen Gegend in euren Fahrzeugen campieren müsst.
Bei km 17 und 18 breche ich ein.
Das hatte ich bei der Streckenauswahl nicht bedacht, das es da zwei nicklige Steigungen mit Keuchpotential gibt. Ich werde immer langsamer und merke, dass ich nichts mehr zulegen kann.
Gerade bei den letzten Kilometern war ich in Berlin für die Unterstützung von außen so dankbar.
Jetzt fehlt mir auch noch der Biss und Ehrgeiz und ich trabe müde und abgeschlagen nach Hause bis ins Ziel.
Nee, das mach ich nicht mehr.
Da war der Spassfaktor doch zu gering.
Soll es ein Trost sein, dass ich 4 Minuten schneller war als in Berlin ?
Eher nicht, denn ordentlich vermessen ist meine Strecke natürlich nicht.
 
Euer Peter